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24.07.2024
Zuhören und Trösten

Wenn ich von einem schweren Verkehrsunfall erfahre, bin ich selber – im Angesicht des Leids – auch als Seelsorger sprachlos und ohnmächtig. Wie kürzlich als drei Jugendliche auf dem Nachhauseweg vom Kirschblütenfest in Naumburg den Tod fanden. Eltern, Freunde, alle waren nicht nur tief im Leid – sie waren teilweise auch wirklich wütend. Ich selbst spüre das Risiko, Menschen in solchen abgrundtiefen Situationen trösten zu wollen. Finde ich die passenden Worte? Gibt es dafür überhaupt passende Worte? Kann die oder der Angesprochene so etwas wie Zuspruch jetzt hören? Oder ist vielleicht die Suche nach einem Schuldigen so übermächtig, dass alles andere abgewehrt wird? Oft hilft es, einfach bei dem Leidenden da zu sein, einander wortlos die Hand zu halten. Denn das alte Wort Trost kommt von Treue, das heißt: fest bei jemanden bleiben, ihm oder ihr Halt geben. Auf viele bitteren Fragen gibt es sowieso keine Antwort – und die Frage nach dem Sinn von Leid ist sinnlos, weil es darauf keine Antwort gibt. Gott sei Dank gibt es viele Kolleginnen und Kollegen, die als Seelsorgerinnen und Seelsorger in schweren Notsituationen schnell am Unfallort zu Stelle sind – bei den Opfern und auch bei den Helfern der Feuerwehr und der Polizei. Mich selbst tröstet ein Satz von Dietrich Bonhoeffer. Den hat er aus dem Gefängnis geschrieben, das von einer Fliegerbombe getroffen worden war: „Ich glaube ich bin ein schlechter Tröster – zuhören kann ich, aber sagen kann ich fast nie etwas.“ Ich vermute, er hat gewusst, wie tröstlich das Zuhören allein schon ist.

Johann Schneider, evangelischer Regionalbischof aus Halle


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