08.10.2024
Zurücksetzen - mal du - mal ich
Kennen sie Cornwall? Dieses wundervolle Fleckchen Erde in Südengland? Eng sind die meisten Straßen. Richtig eng. Gut beschnittene dichte hohe Hecken am Straßenrand. Dichter als ein Zaun.
Dort macht Autofahren Spaß. Man muss aber ziemlich auspassen und schnell reagieren. Es sind allesamt keine Einbahnstraßen, obwohl an den meisten Stellen ein normaler PKW links und rechts die Hecken schon leicht berührt. Und wie soll das dann bitte gehen, fragen sie sich jetzt zu Recht. Ganz einfach: Alle paar hundert Meter gibt es kleine Einbuchtungen, wo zwei Autos knapp aneinander vorbeikommen können. Wenn also Gegenverkehr kommt und der kommt öfter, muss man sich erstens merken, wo war auf meiner Fahrstrecke die letzte Einbuchtung und reicht sie auch, wenn ein kleiner LKW mein Gegenverkehr ist? Und schaffe ich es gut mit Rückspiegel um die Kurven herum zurück?
Es ist faszinierend, wie sich verständigt wird – mit einem Blick. Ohne Hupen, ohne Zorn oder Faust. Mal fährt der andere rückwärts, mal ich, immer der, der besser kann, niemand drängelt oder hupt oder verunsichert auf andere Weise. Und beim Vorbeifahren wird mit Handgruß gedankt. Diese Freundlichkeit, Gelassenheit und Fahrkunst haben mich immer wieder aufs Neue begeistert.
So kann unser Leben gut funktionieren. Mal muss der eine, mal die andere zurücksetzen, damit beide vorwärtskommen, nie einer ganz, immer nur ein Stück. Durch diese Straßen kommt keiner durch, der denkt, ich zuerst, das ist aussichtslos. Nur mit gegenseitiger Rücksichtnahme gelangt man ans Ziel.
Pfarrerin Renate Höppner aus Magdeburg