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05.03.2024
90. Geburtstag

Heute würde meine Mutter 90 Jahre alt. Leider ist sie schon lange verstorben. Es wäre sonst ein schönes Fest. Alle Kinder, alle Enkel, alle Urenkel – das hätte ihr gefallen.

Schöne große Feste – die waren ihr nicht an der Wiege gesungen. Groß geworden im Krieg. Vater an der Front, die Mutter musste allein die drei immer hungrigen Kinder durchbringen. Hat mit Bauern auf den Dörfern rund um Mühlhausen Geschäfte gemacht, um an etwas Brot und Butter und Fleisch zu kommen. Irgendwann kam der Vater zurück – traumatisiert. Kaum fähig, seine Kinder in den Arm zu nehmen. Das eigene Haus, der schöne Garten – immer verhangen von den schwarzen Wolken der Vergangenheit.

Die Geschichten vom ewig strafenden Gott – sie schienen zu passen.

Wie gut, dass dieser lebensfrohe junge Mann kam. Der konnte Gitarre spielen, der hat Jugendreisen zu Kirchentagen organisiert. O.k., er kam aus einfacheren Verhältnissen. Die Familie war nicht begeistert. Sie heiratete ‚unter Stand‘, wie man damals sagte.

Sie hat ihrem Mann zur Seite gestanden als er Pfarrer wurde, vier Kinder bekommen, einen Pfarrhaushalt gemanagt, viele Gäste, die Kirchgemeinde. Immer ihr Eigenes hintenangestellt. Sie wäre höchst wahrscheinlich eine Modedesignerin geworden, wenn die Zeiten es erlaubt hätten.

Sie hat die Zeiten sich verändern sehen.

Erst spät hat sie einen Gott kennengelernt, der behütet, der beschützt, der seine Engel schickt, um uns den Weg zu zeigen. Sie hat die Engel als Figuren nachgebaut. In die Wohnung gestellt. Engel waren freundlich da.

Wir haben unsere Mutter begleitet, als sie starb. Alle vier standen wir am Bett auf der Intensivstation und haben gebetet. Da möge jemand sein, am anderen Ende des Tunnels, der sie behutsam in die Arme nimmt.

Ulrike Greim, Weimar, Evangelische Kirche


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