16.09.2021
Äpfel für die Seele
Jeden Morgen, wenn sie die roten Äpfel in ihrem Garten sieht, denkt sie: Was für ein Geschenk. Dick, üppig, alle Äste voll. Überbordend. Rot und rund – das ist so schön, das kann man gar nicht malen, sagt sie, das muss in die Seele rein.
Gerade jetzt, wo sie ihre Mutter zu Grabe getragen hat. Und es so ruhig ist im Haus. Da muss sie raus. All das Schöne sehen, das wie ein Geschenk dasteht, und bestaunt werden will.
Das pralle Leben, leuchtend und appetitlich. Es steht am Straßenrand und will dich grüßen.
Grüße, die sie nötig hat.
Wenn sie so fröhlich und couragiert erzählt, mag man es gar nicht glauben, wie schwer ihr Leben war. Die Details will sie gar nicht nennen. Deutet nur das Gefängnis an. Weinen kann sie seitdem nicht mehr. Freigekauft. Westen. Viel Hilfe, aber keine Heimat. Wieder zurück. Ein engagiertes Leben. Und dann kam der Krebs. Ist das nicht ungerecht?
Ja. Ist es.
Und was für eine Kraft steckt in dieser Frau, die es aufnimmt! Kämpft. Meist für andere. Zuletzt für die Mutter. Jetzt auch mal für sich selbst. Und die gelernt hat, das Leben zu nehmen, wie es kommt.
In diesem Herbst kommt es eben auch mit roten Äpfeln. Himmelsgrüße. So liest sie das. Das muss einfach in die Seele rein. Der gute Proviant für die nächste Wegstrecke.
Gottes Frühstücksbuffet. Vitamine für das Herz.
Stärke dich. Geh deinen Weg. Gott schütze dich!
Ulrike Greim, Weimar, Evangelische Kirche.