09.11.2024
Kerze im Fenster
Die Nacht ist kalt. Sonja meint, ihr pochendes Herz müsste zu hören sein, so heftig klopft es. Vor Angst. Sie zieht die Schuhe aus. Dann steigt sie ins kalte Wasser der Spree. Hinter ihr ist ihr Bruder. Fast lautlos schwimmen die beiden los. Die Angst, entdeckt zu werden, schwimmt mit.
35 Jahre ist das nun her. Ihre geglückte Flucht in den Westen, lange geplant und akribisch vorbereitet. Im zeitigen Frühjahr 1989. Sonja hatte sich damals immer wieder gefragt: Ist es richtig? Aber die Geschwister sahen keine Zukunft mehr für sich in der DDR. Immer wieder Einschränkungen, Gängelungen. Weil sie nicht ins System passten, weil sie laut ihre Meinung sagten, weil sie sich zur Kirche hielten. Trotzdem: Die Familie, die Freunde vielleicht nie wiedersehen? Das hat Sonja damals schwer belastet. Doch nur wenige Monate später fiel die Mauer.
Sonja erinnert sich, wie sie damals, schon im Westen lebend, Gänsehaut hatte, als sie im Fernsehen die vielen Kerzen bei den Montagsgebeten und Demonstrationen sah. Dass so etwas möglich sein würde in dem Land, dem sie den Rücken gekehrt hatte!
Jedes Jahr am 9. November stellt Sonja seither eine Kerze ins Fenster.
Zur Erinnerung, was Mut, Kerzen und Gebete damals bewirken konnten. Sie brachten eine fest geglaubte Mauer ins Wanken und schließlich zum Einsturz. Heute vor 35 Jahren.
Ein gutes Wochenende wünsche ich Ihnen! Cornelia Biesecke aus Eisenach, ev. Kirche