27.12.2024
Krieg und Frieden
Im Schlosspark von Bad Ischl, einem früheren Zentrum kaiserlicher Macht – hier hat die Sissy regelmäßig ausgespannt – gab es im Sommer eine Ausstellung des chinesischen Künstlers Ai Weiwei. In einer riesigen, sonst ganz leeren Halle, vermutlich früher der Marstall, lagen auf dem Boden, eng aneinander gereiht, tausende, zehntausende Keramikkugeln. Es ist Jahrhunderte alte Munition, die lückenlos den ganzen Boden bedeckt. Ich ahne, wie er das meint: Krieg erstickt alles.
Aber über dieser Installation schwebt ein Drachen, ein riesiger von ihm gebauter, bunter Drachen mit einem Schwanz, der sich an der Decke entlang durch die ganze Halle windet. Und auf den Drachen hat er Sprüche von Menschen geschrieben, die sich für Frieden und Bürgerrechte einsetzen. Da steht: „Dieser Gedanke kann die Welt verändern.“ und „Ich möchte meine Stimme abgeben.“ und „Ich ziehe es vor, ins Gefängnis zu gehen.“
Aus diesen Sätzen spricht der Mut der Verzweiflung. Es ist, als würde aus dem Sumpf aussichtsloser Situationen doch irgendwie Hoffnung aufsteigen. Vielleicht ist das immer so. Interessant ist, was passiert mit hoffnungsvollen Gedanken. Etliche der Menschen, deren Sätze Ai Weiwei aufgemalt hat, haben im Knast gesessen. Aber die Hoffnung lässt sich nicht einfangen und nicht einsperren. Sie hängt am Himmel, sie lässt sich dort auch nicht abschießen. Ich stand also in dem alten Marstall, unten die Munitions-Kugeln, oben der fliegende Drachen. Und ich denke: Nichts ist umsonst, kein Gedanke, kein Gebet um Frieden, kein Tag, an dem einer für seine Hoffnung im Gefängnis war.
Einen friedvollen Tag wünscht Ralf-Uwe Beck, evangelisch und aus Eisenach.