Augenblick mal, MDR, Radio, Radio-Andacht, Radio-Andachten, Radioandacht, Radioandachten,

31.10.2023
Luthers Walwirbel

Zehn Monate hat Luther auf der Wartburg festgesessen, einige davon hat er sich an seinen Schreibtisch geklemmt, am Gänsekiel gekaut und die Bibel übersetzt. Anstrengend für Rücken und überhaupt. Gab ja keine ergonomischen, höhenverstellbaren Drehstühle. Da muss es eine Erleichterung für das Kreuz des Reformators gewesen sein, dass er seine Füße hin und wieder auf einem Walwirbel abstellen konnte. Also so ein gigantisches Knochenteil aus der Wirbelsäule eines Wals. Diesen Wirbel hat er als Fußschemel benutzt. Keine Sau weiß, wie das Teil auf die Wartburg gekommen ist. Die haben zwar viel gejagt in der Gegend, aber ein Wal ist da wohl kaum vorbeigeschwommen. Heute können Sie so etwas bei ebay für 50 Euro kriegen. Damals muss das wohl jemand mitgebracht haben aus dem hohen Norden.

Luther hatte also immer einen Wirbel vor Augen – einen Teil des Rückgrats. Als er kurz vorher in Worms dem Kaiser Rede und Antwort stehen musste, hat er Rückgrat gezeigt, er sagte: Ich stehe hier, ich kann nicht anders. Das meint nun nicht: Ich bin eben so blöd und weiß es nicht besser. Nein, was Luther meinte, war: Ich stehe hier, weil ich für etwas einstehe, für eine Botschaft. An der ist nichts krumm zu machen. Schon gar nicht das Kreuz. Es ist das, was keinem Kaiser gefallen kann: Vor Gott sind alle Menschen gleich, alle. Das hatte er aus der Bibel. Und die, wollte er, sollten die Menschen lesen. Dann wird klar, dass es nicht so bleiben muss, dass die einen immer oben und die anderen unten sind. Der Walwirbel ist noch da, die Botschaft, um die es Luther ging, auch. Und sie ist nötig.

Einen nachdenklichen Reformationstag wünscht Ralf-Uwe Beck, evangelisch und aus Eisenach.


Bleiben Sie mit unseren Newslettern auf dem Laufenden.

Hier Abonnieren

Die besten News per E-Mail - 1x pro Monat - Jederzeit kündbar