12.10.2022
Mit Angst umgehen
„Hallo, Frau Biesecke!“ Im Supermarkt grüßt mich eine junge Frau. Wir kennen uns flüchtig aus dem Kindergarten. Da mache ich manchmal Gottesdienste. Ich will weitergehen, doch sie hält mich auf.
„Kennen Sie den Satz aus der Bibel, wo Angst drin vorkommt?“ Au weia, Bibelkunde am Käseregal. Mein Gehirn rattert. „Ich glaube, der ist von Jesus.“ schiebt sie nach. Jetzt dämmert's bei mir: „In der Welt habt Ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Joh. 16,33)„Ja, der war's!“
Über Bibelsätze im Supermarkt reden – bisschen ungewöhnlich. Doch schnell wird klar: Die Frau hat viel auf dem Herzen. Vor allem aber hat sie Angst. In den folgenden Minuten erzählt sie davon. Sie ist alleinerziehend, das Geld wird immer knapper. Wie kommt sie durch den Winter? Es soll ja Hilfen geben: Doppelwumms und Gaspreisbremse. Die Angst bleibt trotzdem.
„Meine Nachbarn gehen auf die Straße deswegen,“ erzählt sie. „Aber das ist nicht meins. Doch so langsam fressen mich die Sorgen auf.“
„Und warum wollten Sie den Bibelvers wissen“, frage ich. „Ich war neulich in der Kirche. Eigentlich bin ich ja keine Kirchgängerin. Aber meine Kinder haben im Chor mitgesungen. Und dann kam dieser Satz. Der mit der Angst. Und der hat so gepasst. Ich habe mich irgendwie verstanden gefühlt. Ja, ich habe Angst. Und ich wünsche mir, dass das mal jemand sieht. Und weiß. Ich habe mich richtig geborgen gefühlt.“
Ihre Worte klingen noch lange in mir nach. Angst nicht klein reden. Nicht belächeln. Sondern ernst nehmen. Der jungen Frau hat genau das gut getan. Weg ist die Angst deshalb nicht. Aber hoffentlich nicht mehr so übermächtig.
Weil: Da ist dieser andere Horizont. Da ist einer, der hat die Welt überwunden. Und kann Halt geben.
Glaubt Cornelia Biesecke aus Eisenach, evangelische Kirche.