23.07.2018
Söder und Seehofer
„Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst?“ – Diesen Spruch hatte ich zwei Jahre über meinem Bett. Im Internat, in Gotha-Sundhausen, vor mehr als 35 Jahren. Es war ein Kalenderblatt, für jeden Monat ein Bibelvers und dazu eine Kinderzeichnung. Das Internat war ein stalinistischer Schuppen mit einem durchgeknallten Direktor, die meisten Lehrer charakterlos. Keine gute Zeit. Mit dem Kalender wollte ich eigentlich nur provozieren. Aber die Sprüche haben sich mir tief eingebrannt. Und manchmal schwappt einer aus den Tiefen meines Gedächtnisses wie von selbst an die Oberfläche.
Wie jetzt gerade: „Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst?“ Der Spruch fiel mir ein, als ich den bayerischen Ministerpräsidenten Söder von „Asyltouristen“ reden hörte. Eine Journalistin fragte ihn daraufhin, ob er die meint, die im Mittelmeer ertrinken. Keine Antwort. Es waren allein im Juni 629 Menschen. Bundesinnenminister Seehofer freute sich unlängst, dass gerade an seinem 69. Geburtstag „69 Personen nach Afghanistan zurückgeführt worden“ sind. Ach wie lustig. Einer von ihnen hat sich nach der Ankunft in Kabul das Leben genommen.
„Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“ Ihr Söders und Seehofers, wenn ihr es nicht fertigbringt, das Wort Mensch zu buchstabieren, dann könnt ihr euch die Kreuze, die ihr in bayerischen Behörden aufgehängt habt, ans Knie nageln. Jeder Flüchtling, jeder, der seine Heimat verlässt und oft genug sein Leben riskiert für ein besseres Leben, ist ein Mensch, der es verdient, als Mensch betrachtet und behandelt zu werden.
Einen guten Tag wünscht Ralf-Uwe Beck, evangelisch und aus Eisenach.