09.10.2024
Angst haben, friedlich bleiben, Mut haben

Heute vor 25 Jahren in Leipzig: Die Kinder werden von der Schule heimgeschickt. Nach 15 Uhr soll niemand auf die Straße gehen, sondern drinnen bleiben. Militärfahrzeuge, Panzer fahren in die Stadt; verteilen sich in den Seitenstraßen und mit ihnen 7- bis 8000 bewaffnete Polizisten und NVA-Soldaten. Macht-Demonstration. Angst soll das machen, all denen, die nach Leipzig kommen wollen zur Montagsdemonstration. Aber: Die Angst hat die Seiten gewechselt an diesem Tag. So formuliert es Siegbert Schefke; er hat damals mit zwei Kollegen die überfüllten Straßen gefilmt, heimlich vom Turm der Reformierten Kirche aus. 70.000 Menschen liefen nach den Friedensgebeten durch Leipzig. Der neuralgische Punkt war die Runde Ecke, wo die Stasi-Zentrale war. Alle wussten, wenn von dort nicht geschossen wird, bleibt es ruhig, sagt Siegbert Schefke. Die Sicherheitskräfte ziehen sich schließlich zurück, als sie die Menschenmassen vorbeigehen sehen. Aus Berlin kein Rückruf und kein Befehl. Was SED-Genossen vorher behauptet hatten, dass nur ein paar betrunkene Rowdys Unruhe verbreiten würden, war falsch. Das konnten auf Schefkes Bildern auch im Westfernsehen alle sehen.

Die Menschen damals waren mächtiger als ihre Angst – auch weil sie so viele waren. Die alle dasselbe wollten: mehr Freiheit. Sie haben nicht provoziert, sondern Kerzen getragen. Viele kamen direkt aus der Kirche, wo sie gehört hatten: „Selig sind die Friedfertigen.“ Und dann ist der Mut gewachsen.

Gute Nacht wünscht Milina Reichardt-Hahn, evangelisch + Pfarrerin in Fambach


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