08.10.2024
Lebensüberschuss geht nicht verloren
Es ist Sommer. Wir sitzen zu zweit auf dem Autorücksitz und grölen mit der Musik: "I'm just a teenage dirtbag, baby ... ." Das Lied ist kaum zu Ende, da rufen wir: "Nochmaal!" Endlosschleife im Auto gab es noch nicht. Jedenfalls nicht in dem eckigen Fiat Panda, mit dem wir nach Holland unterwegs waren – Holger, Olli, Meike und ich; im zweiten Auto vier weitere Freunde. Kurz nach dem Abi, zum Zelten. An den Raststätten haben wir Badminton gespielt. Und an den Ampeln – bei Rot – die Autos getauscht: Türen auf, einmal drumrum laufen und wieder reinspringen. Die anderen Autofahrer haben geschimpft oder entsetzt geguckt. Aber wir waren stärker. Lebensüberschuss war das. Alles war möglich.
Alles ist möglich, dem der da glaubt, steht in der Bibel. In der Jugendzeit fand ich es leicht, diesen Satz laut in die Welt zu rufen. Erst recht, wenn wir als Freunde zusammen waren. Das ganze Leben lag vor uns. Heute, ein Vierteljahrhundert später, liegen etliche Wege schon hinter uns. Weil man sich für eine Richtung entscheiden musste, sind andere Möglichkeiten ausgeschieden. So ist es im Leben. Es hat seine Grenzen. Den Satz aus der Bibel sage ich deshalb heute bedächtiger. Trotzdem bin ich überzeugt, dass er wahr ist. Und dass Menschen über sich hinauswachsen können. Dass sie stärker sind, als sie denken. Lebensüberschuss, den man hatte, geht nicht verloren. Er liegt nur etwas tiefer. Bei mir wird er wach, wenn ich das alte Sommerlied höre. Wenige Takte genügen und alles vibriert wieder.
Dass Ihr Lebensüberschuss wach wird, wünscht Ihnen Milina Reichardt-Hahn, evangelisch + Pfarrerin in Fambach