PM 127 | 29.10.2010
Landesbischöfin Junkermann zum Reformationstag

„Ideale überfordern Menschen“

Zum Reformationstag am kommenden Sonntag (31. Oktober) stellt Ilse Junkermann, Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), den Perfektionismus, an dem Menschen scheitern müssen, in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen:

„Die Gesellschaft übt einen hohen Erwartungsdruck aus und suggeriert, nur der könne sein Glück finden, der möglichst perfekt sei. Das überfordert viele Menschen. Die ideale Ehe führen, die ideale Beziehung zu den Kindern haben und den idealen Job haben – diese Erwartungen überfordern uns.“ Es sei nicht verwunderlich, wenn solche Ansprüche an Beziehungen zum Streit führen, die Kinder sich zurückziehen und Menschen am Arbeitsplatz frustriert werden.

„Die Abkehr von einem übertriebenen Perfektionismus, der keine Fehler zulässt und die Hinwendung zum Menschlichen, das in Gott aufgehoben ist – das ist ein zutiefst reformatorischer Gedanke“, so die Landesbischöfin. Auch Martin Luther habe sich als Mönch geschunden, alles richtig zu machen, um vor Gott gut dazustehen. Er habe aber erkannt, dass ein Mensch daran nur scheitern kann. „Gerechtfertigt allein aus Gnade“, das sei für Luther die befreiende Erkenntnis und zugleich der Beginn der Reformation gewesen.

„Lassen wir Schwächen zu, sehen wir klar, auch auf die Kehrseiten und Schattenseiten – im eigenen Leben wie im Zusammenleben. Wir müssen nicht perfekt sein. Wir sind unabhängig von dem, was wir leisten, unabhängig von Verdienst, Ansehen und Aussehen wertvoll und von Gott angenommen“, so Junkermann.

Menschen, die im Alter zurückblicken, würden häufig erkennen: „Reich ist ihr Leben dann geworden, wenn sie sich haben beschenken lassen, wenn sie aufgehört haben, zu meinen, alles selbst in der Hand zu haben. Reich ist ihr Leben geworden, als sie es aufgegeben haben, einem Ideal nachzujagen.“

Hintergrund
Laut Überlieferung soll der Mönch und Theologieprofessor Martin Luther am Tag vor Allerheiligen 1517 an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg 95 Thesen zu den Themen Ablass und Buße angeschlagen haben, um eine akademische Diskussion darüber herbeizuführen. Damit leitete er die Reformation ein. Im Kern bestritt er die herrschende Ansicht, der Ablass sei die Voraussetzung, den Menschen von der Sünde zu erlösen.
Die Reformation hatte weitreichende Folgen. So ist es gemäß dem „Priestertum aller Gläubigen“ für evangelische Gemeinden selbstverständlich, dass auch Laien nach einer Ausbildung Gottesdienste halten sowie Mitglied der Kirchenleitung sein können. Außerdem werden in der evangelischen Kirche Frauen zu Pastorinnen ordiniert. Unmittelbar mit der reformatorischen Bewegung ist das evangelische Pfarrhaus entstanden und Pfarrer gründeten Familien. Luther selbst hatte durch seine Heirat mit Katharina von Bora mit dem Zölibat gebrochen. Weltlichen Bezug erlangte Luthers Wirken, indem er dafür sorgte, dass Kommunen eigene Sozialhaushalte bekamen.

RÜCKFRAGEN

Friedemann Kahl, 0151-59128575

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